Reinventing organizations
Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit
Reinventing organizations von Frederic Laloux ist das Grundlagenbuch für die integrale Organisationsentwicklung. Als Unternehmensberater hat er jahrelange Erfahrung mit den Themen, die Organisationen beschäftigen.
In der Einführung beschreibt Laloux sehr anschaulich, wo die Grenzen der gegenwärtigen Organisationsmodelle liegen. Unter Organisation wird jede Größe von Unternehmen verstanden sowie alle pflegerischen Netzwerke, Bildungs- und Öffentlichkeitseinrichtungen – kurzum alle, die als Team zusammenarbeiten.
Das Leben in Organisationen erfahren wir zunehmend als desillusionierend. Die Arbeit am Boden der Pyramide wird sehr häufig als notwendiges Übel mit ständiger Anstrengung betrachtet: Begeisterung und Sinn fehlen, arbeiten nach „Dienst nach Vorschrift“ sind an der Tagesordnung.
Das Leben an der Spitze der Pyramide bringt nicht mehr Erfüllung: hinter der Fassade und dem Prunk leiden die Führungskräfte still. Das tiefe Gefühl der inneren Leere wird aus einem schlechten Deckmantel hektischer Geschäftigkeit übertüncht.
Machtspiele, politische Manipulationen und Konkurrenzkämpfe fordern von allen ihren Preis. Viele Organisationen verbringen unzählige Runden mit Change-Programmen, Fusionierungen, Zentralisierungen und Dezentralisierungen, neuen IT-Systemen und -Programmen, neuen Leitbildern, neuen strategischen Managementsystemen oder Prämiensystemen. Diese wirken aber eher als ein Teil des Problems statt deren Lösung.
Was ist mit der Entscheidungsfindung? Sollte nicht jeder in der Lage sein, diese zu treffen?
Wie gehen wir mit Beförderungen und Lohnerhöhungen um? Finden wir eine Herangehensweise, die nicht von Konkurrenzdenken geprägt ist?
Lassen sich Meetings produktiv und von positiver Stimmung getragen gestalten? Ist es möglich dort aus unserem Herzen zu sprechen und nicht aus unseren Ego?
Wie können wir einen Sinn finden der zum Zentrum für all unser Tun wird? Wie kann Zynismus vermieden werden, der oft durch abgehobene Leitbilder ausgelöst wird?
12 Organisationen aus verschiedenen Ländern (USA, Frankreich, Niederlande und Deutschland) der unterschiedlichsten Formen führt Frederic Laloux in seinem Buch auf, die ganz oder teilweise die evolutionäre Organisation leben. Ausführlich und interessant stellt er in Kapitel 2 von Reinventing organizations die Strukturen, Praktiken und Kulturen dieser dar.
Drei Interessante Denkanstöße aus Reinventing organizations
1) Entwicklungsgeschichtliche Perspektive
Anhand evolutionärer Entwicklung beschreibt Laloux Organisationsmodelle der Vergangenheit und Gegenwart. Dabei gibt es zwei Auffälligkeiten:
· wie schnell sich Organisationen in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt haben und
· dass es noch keine Epoche in der Menschheitsgeschichte gab, in der parallel so viele Organisationssysteme nebeneinander her lebten
Es wird besonders deutlich, vor welchen Herausforderungen wir stehen. Kein anderer Zeitpunkt hat die Menschheit so gefordert wie der jetzige.
2) Die drei Durchbrüche von evolutionären Organisationen
Selbstführung
Hierarchien werden aufgelöst, indem selbstführende Teams Entscheidungen treffen und durchführen. Bei Unterstützungswünschen werden sie von Teamberatern begleitet. Jeder Mitarbeiter darf Aufgaben und Rollen eigenständig übernehmen, Ideen und Vorschläge einbringen und seine Fähigkeiten berufsübergreifend einsetzen.
Damit wächst die Verantwortung jedes Einzelnen. Gleichzeitig können die Probleme nicht mehr auf Geschäftsführer, Führungskräfte oder Kollegen übertragen werden.
Ganzheit
Durch die Einbeziehung der ganzen Person in die Arbeit werden die Mitarbeiter authentisch. Die Freiheiten, die sie erhalten, sind frei von Konkurrenzdenken und Selbstdarstellung. Durch Informationstransparenz wird es Teams auch möglich, offen über Themen wie Gehälter, über die sonst die Führungskraft entscheiden muss, zu diskutieren und abzusprechen.
Evolutionärer Sinn
Statt des Ziels, Gewinne zu maximieren oder Marktführer zu werden steht der Sinn, dem die Organisationen dienen, im Vordergrund. Da somit der Fokus nicht nur auf Geldgeber, sondern sehr stark auf Kunden, Mitarbeiter und Zulieferer gerichtet ist kommt das Geld „von alleine“.
Teamleistung geht vor Einzelleistung, Vertrauen und Zuhören stehen an oberer Stelle.
„Angst ist die stärkste Beschränkung. Wenn Organisationen nicht auf impliziten Mechanismen der Angst aufbauen, sondern auf Strukturen und Praktiken, die Vertrauen und Verantwortung hervorbringen, dann geschehen unerwartete Dinge.“
Jeder dieser Durchbrüche zeigt sich in einer Reihe konkreter alltäglicher Praktiken, die – manchmal subtil, manchmal radikal – von traditionell akzeptierten Managementmethoden abweichen.
3) Beispiel: Buurtzorg – eine niederländische Organisation für häusliche Krankenpflege
Selbstführende Teams
Ein Team von 10-12 Menschen betreut selbstbestimmt rund 50 Patienten. Dabei legen sie selbst fest, wie viele sie betreuen, wer wann Urlaub nimmt oder Feiertagsdienste leistet. Verwaltungsaufgaben werden übernommen, aber auch die Entscheidung, wo das Büro gemietet wird und wie es aussehen soll. Über die Häufigkeit der Meetings sowie die Aufgabenverteilung werden kollektive Absprachen gehalten.
Die Leistungen werden auf dieser Ebene überwacht und entscheidet beim Sinken der Produktivität selbst die Maßnahmen. Es gibt keine Teamleitung.
Unglaubliche Ergebnisse
Eine Studie von Ernst & Young aus dem Jahre 2009 kam zu dem Ergebnis, dass bei Buurtzorg im Durchschnitt 40 Prozent weniger Arbeitsstunden pro Patient für die Pflege nötig sind als bei anderen Krankenpflegeunternehmen. Und das, obwohl sich die PflegerInnen Zeit zum Kaffeetrinken mit dem Patienten nehmen. Der Sinn der Organisation (und der Mitarbeiter), Menschen zu helfen und mit ihnen eine gute Beziehung aufzubauen, steht so sehr im Vordergrund, dass sich die Patienten oftmals innerhalb kurzer Zeit wieder erholen oder der Krankenhausaufenthalt verkürzt.
Die Fluktuation ist 33% niedriger als bei herkömmlichen (modernen leistungsorientierten) Organisationen. 2006 beschäftigte Buurtzorg 2/3 aller Pflegekräfte in Holland.
Kein Vorgesetzter, kein mittleres Management
Die Managementaufgaben werden im Team verteilt. Alle Entscheidungen – auch die ganz schweren – werden gemeinsam gefällt. Die Teams erhalten Unterstützungen (Fortbildung, Beratung und Methoden), die notwendig sind, damit Selbstführung in der Praxis auch funktioniert.
Alle neu gebildeten Teams und alle neu eingestellten Mitarbeiter durchlaufen einen Fortbildungskurs mit dem Titel „Lösungsorientierte Interaktionsmethoden“. Wenn das Team in einem Problem feststeckt kann ein anderes Team oder ein regionaler Berater hinzugezogen werden. Diese haben aber keinerlei Macht, sondern fungieren lediglich als Mediator.
Fazit zu Reinventing organizations
Menschen wie Maschinen zu behandeln war in der Zeit der Industrialisierung ein Fortschritt, im Wissenszeitalter hilft uns dieses Handeln aber nicht mehr weiter. Eine evolutionäre Organisation einzuführen braucht Mut, Kreativität und MitgestalterInnen.
Sehr hilfreich hierfür finde ich die in den Anhängen von Reinventing organizations mitgelieferten Recherchefragen zur Struktur, Personalentwicklung, Arbeitsalltag und Organisationsprozesse, anhand derer die eigene Organisation auf grundlegende Praktiken und Prozesse hinterfragt werden kann.
Der tabellarische Vergleich von moderner und evolutionärer Organisation stellt die Unterschiede von diesen gegenüber.
Zum Schluss ein Beispiel dafür, das Frederic Laloux freie Entscheidungen lebt. Unter folgendem Link kannst du sein Buch herunterladen und so viel bezahlen, wie du möchtest:
http://www.reinventingorganizations.com/pay-what-feels-right.html
I cannot know what the book is worth to you, so I'm not sure a fixed price makes much sense.
An dieser Stelle vielen Dank an Antje für ihren heutigen Gastbeitrag. Sie hat „Reinventing Organizations“ gelesen und war so begeistert, dass sie das Buch gerne vielen weiteren Lesern vorstellen wollte. Das Thema Persönlichkeitsentwicklung beschäftigt sie schon über zwei Jahrzehnte.
Während sie früher auch jede Menge Romane, Kurzgeschichten und Gedichte gelesen hat, liebt sie heute vor allem Ratgeber und Sachbücher und ist schon seit langer Zeit eine fleißige Leserin von 52ways.
Viele Grüße
Dennis
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