Digitaler Minimalismus – Besser leben mit weniger Technologie
«Ein Augenblick kann sich seltsam flach anfühlen, wenn er nur für sich selbst existiert» – kennst du das auch? 2016 ist von Cal Newport «Konzentriert Arbeiten» erschienen. In seinem neuen Buch Digitaler Minimalismus fokussiert er sich auf die neuen Technologien, nicht speziell in Bezug auf die Arbeitswelt, sondern mit Blick darauf wie sie unser Leben beeinflussen.
1) Kurze Summary
Es ist nicht so, als wäre eine App oder Webseite für sich besonders schlecht. Das Problem besteht in der Gesamtheit so vieler unterschiedlicher bunter Spielerein, welche pausenlos um unsere Aufmerksamkeit buhlen und unsere Stimmung manipulieren. Der dauernde Drang mal schnell bei Twitter reinzuschauen oder etwas auf Instagram zu posten, zerteilt die Zeit in Bruchstücke, welche zu klein sind für ein bewusstes Leben und die dafür notwendige Präsenz. Das führt oft zu Erschöpfung und beeinflusst unsere Stimmung gesamthaft negativ.
Das mögliche Ausmass des Einflusses von Apps und Webseiten darf dabei nicht unterschätzt werden. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Internetsucht Abhängigkeiten schafft, welche in vielen Bereichen der Substanzabhängigkeit gleichen.
Dass wir so viel Zeit auf Social Media oder in Games verbringen ist dabei kein Zufall. Wir befinden uns hier in einem einseitigen Wettrüsten, in dem Technologieunternehmen ein ganzes Drehbuch von Techniken anwenden, damit wir ihr Produkt so lange wie möglich verwenden. Das ist schliesslich Teil ihres Business Plans.
Dazu ein Zitat aus dem Buch:
«Die Magnaten der sozialen Netzwerke sollen aufhören, so zu tun, als seien sie nette Nerd-Götter, die eine bessere Welt erschaffen, und zugeben, dass sie einfach nur Tabakpflanzer in T-Shirts sind, die Kindern ein suchterzeugendes Produkt verkaufen. Denn Likes zu zählen ist das neue Rauchen.»
Newport empfiehlt nun allerdings nicht, gänzlich auf neue Technologien zu verzichten, aber er predigt einen bewussten Einsatz. Es geht nicht um Nützlichkeit, es geht um die Autonomie. Laut Newport brauchen wir eine «Philosophie der Technologienutzung».
Digitaler Minimalismus – Eine Philosophie der Technologienutzung, bei der wir unsere Online Zeit auf eine kleine Anzahl von sorgfältig ausgewählten und optimierten Aktivitäten konzentrieren, die für uns wertvolle Angelegenheiten intensiv unterstützen, und auf alles Übrige verzichten.
Denn kleine Anpassungen führen nicht zum Ziel; Lifehacks und Tipps & Tricks reichen nicht. Wenn du die Benachrichtigungsfunktion von deinen 73 Apps abstellst, dann ist das zu kurz gedacht. Die Frage wäre eher, wieso brauchst du 73 Apps?
Das heisst, wir müssen rückwärts überlegen, was sind meine wichtigen Wertvorstellungen und danach uns fragen, welche Technologien unterstützen diese Wertvorstellungen? Und zwar nicht nur ein bisschen, sondern intensiv und am besten?
Auf drei Kernprinzipien zusammengefasst:
1) Gerümpel ist kostspielig – das Zumüllen deiner Zeit und Aufmerksamkeit mit vielen Geräten, Apps und Diensten erzeugt einen negativen Gesamtsaldo.
2) Optimierung ist wichtig – entscheiden, welche Technologie uns wichtig ist und wie diese verwendet werden soll, um unsere Werte zu unterstützen.
3) Absichtlichkeit ist befriedigend – gezielt neue Technologien in seinem Leben einzusetzen schafft eine grosse Befriedigung.
Nachdem Newport die Argumente dargelegt hat, dass sich digitaler Minimalismus lohnt, folgt das Kernstück des Buches „Digitaler Minimalismus“, der Prozess der digitalen Entrümpelung. Ein radikaler Ansatz, um (schnell) zum Minimalisten zu werden:
1) 30 Tage pausieren mit optionalen Technologien
2) 30-tägige Pause nutzen, um Aktivitäten und Verhaltensweisen zu erforschen und (wieder) zu entdecken, was du befriedigend und sinnvoll findest
3) Nach Ende der Pause optionale Technologien wieder ins Leben einführen, dies allerdings sehr bewusst.
Die 30 Tage Abstinenz setzen dein digitales Leben in den optionalen Bereichen auf null zurück. Somit handelt es sich hier auch um viel mehr als eine vorübergehende «Detox» Phase, nach der man wieder zum gleichen Zustand wie vorher zurückkehrt.
Newport hat das Verfahren in einer Studie mit 1600 Probanden im Jahr 2017 erprobt. Das erlaubt ihm viele Erfahrungsberichte, Tipps und Geschichten weiter zu geben.
Wichtig ist, die neu gewonnene Zeit mit hochwertigen Aktivitäten zu füllen. Auch dazu gibt das Buch Beispiele und Übungen, ebenso für die Zeit nach den 30 Tagen, um einen nachhaltigen digitalen Minimalismus zu kultivieren.
2) Interessante Denkanstösse
Entrümple dein digitales Leben
Wichtig ist, «optionale Technologien» sinnvoll zu definieren. Die mögliche Auswahl sollte Apps, Websites und Videospiele/-streaming einschliessen.
Allerdings nur Technologien, auf welche du verzichten kannst, ohne deinem beruflichen oder privatem Leben Schaden zuzufügen. D.h. der berufliche E-Mail Account dürfte bei den meisten nicht als «optional» eingestuft werden.
Danach verzichtest du 30 Tage auf die gewählten Technologien entweder ganz oder benutzt sie nur nach genau festgelegten Regeln. Alle Technologien, welche du nachher wieder einführen willst, sollten folgenden Test überstehen:
1) sie müssen einem Zweck dienen, der dir sehr wichtig ist;
2) die beste Methode sein, um Technologie zur Erfüllung des Zwecks zu verwenden;
3) in der Anwendung klar begrenzt sein.
Klicke nicht auf «Gefällt mir»
Es ist seit langem unbestritten, dass der Mensch ein soziales Lebewesen ist. Der Verlust sozialer Bindungen steuert dasselbe System im Hirn an wie physischer Schmerz.
Der Tod eines Familienmitglieds oder eine Trennung kann deshalb bei uns sehr grossen Kummer auslösen. Unsere sozialen Verhaltensweisen und die dahinterliegende Steuerung im Gehirn haben sich in einem Umfeld entwickelt, wo Interaktionen immer komplexe persönliche Begegnungen waren.
Wir müssen deshalb sehr vorsichtig sein, wenn wir den Klang einer Stimme oder die Tasse Kaffee mit einem Freund durch einen «Gefällt mir»-Daumen in einem Posting ersetzen. Diese raschen Klicks können Gift sein für dein sinnvolles Sozialleben, welches aus Gesprächen und Treffen bestehen sollte.
Tue Dinge, welche in der physischen Welt Wert schaffen
Die «Rückgewinnung der Musse» ist ein wichtiges Anliegen von Newport in seinem Buch Digitaler Minimalismus und damit die qualitative Freizeit. Um etwas handwerkliches zu tun, das kann übrigens auch Gitarre spielen sein, haben wir uns Fertigkeiten angeeignet und so ergeben uns das Zupfen der Gitarrenseite oder das Zimmern einer Holzbank sehr viel Zufriedenheit.
Ganz im Gegensatz zum Posten von Fotos vom letzten Besuch eines hippen Restaurants und darauffolgenden Hoffen auf Likes.
3) Fazit
Der Bedarf einer «Philosophie der Technologienutzung» mag etwas übertrieben wirken. Aber unser Verhältnis zu den neuen Technologien, sowohl beruflich als auch im privaten Bereich, ist ein sehr relevantes Thema.
Cal Newport zeigt in seinem Buch Digitaler Minimalismus anschaulich auf, wie das «einseitige Wettrüsten» funktioniert in dem
Technologiefirmen immer raffiniertere Ansätze in ihre Produkte einbauen, um uns länger in ihrem Produkt gefangen zu halten.
Die Lösungsansätze, welche Newport anbietet, funktionieren nach meiner Erfahrung. Er kann das auch anhand einer Studie mit 1600 Probanden zeigen. Die digitale Entrümpelung ist zwar radikal, muss gut durchdacht und sorgfältig umgesetzt werden, ist aber für jedermann anwendbar und in vernünftiger Zeit abgeschlossen.
Und mit seinen 250 Seiten ist das Buch Digitaler Minimalismus nicht zu lang gemessen an den Ideen, welche es enthält. Ich habe dank dem Buch neue Zeit und Befriedigung gefunden.
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Dennis Fischer studierte „International Management“ in Reutlingen und Reims, Frankreich. Nach drei Stationen in Start-ups in Berlin und München, hat er vor zwei Jahren den Schritt in die Selbständigkeit gewagt. Heute arbeitet er als Business-Coach, Speaker und Innovationsberater. Schon seit seinem 16. Lebensjahr liest er leidenschaftlich gerne Business-Ratgeber und besucht sämtliche verfügbaren Kurse im Bereich Persönlichkeitsentwicklung. Seit 2016 liest er jede Woche einen Ratgeber und stellt die spannendsten Denkanstöße daraus auf seinem Blog www.52ways.de und in seinem Podcast vor.
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